Vom langsamen Dahinsiechen des Open Directory

Vom langsamen Dahinsiechen des Open Directory

Schon lange vor Web 2.0 machten sich einige Pioniere Gedanken über die Eindämmung der Spamflut in Linkkatalogen – und entwickelten das Open Directory Project. Menschliche Editoren, organisiert nach einer strengen Hierarchie, sollten im Gegensatz zu automatisierten Eintragssystem für gleichbleibend hohe Qualität der Einträge sorgen. [erschienen auf oe1.orf.at]

Viele Protokolle und Services entstanden in der Experimentalzeit der ersten Arpa-Netze in den 60er und 70er Jahren unter völlig anderen Voraussetzungen: das E-Mail Protokoll etwa sieht keinerlei Zertifizierung vor, denn wie hätten seine Erfindern – im wesentlichen Wissenschaftler, die neue Papers schnell und einfach austauschten – auch ahnen sollen, dass 30 Jahre später geplagte Internet-Nutzer von Spam-Attacken überrannt werden sollten?

Ein ähnliches Schicksal ereilte Mitte der neunziger Jahre jene zahlreichen Link-Kataloge, in den Webmaster ihre eigenen Seiten eintragen konnten. Steigende Verbreitung und zunehmende wirtschaftliche Bedeutung des Internet machten diese Kataloge rasch zum Ziel von Spammern, worunter die Qualität der Einträge litt – bis hin zur totalen Nutzlosigkeit. In dieser Situation sollte das Open Directory als „trusted authority“ in die Bresche springen. Das selbstverwaltete System erreichte in den folgenden Jahren ständig steigende Bedeutung, nicht zuletzt deshalb, weil die großen Suchmaschinen, allen voran Google, für die Relevanz-Bewertung von Webseiten einer Aufnahme ins Open Directory hohe Bedeutung beimaßen. Der DMOZ-Katalog unterteilt alle Eintragungen nach einem hierarchischen Kategoriensystem, verschiedene Sprachversionen verhindern ein babylonisches Beschreibungsgewirr. Qualität und Quantität der einzelnen Kategorien, die jeweils von mindestens einem oder mehreren Editoren betreut werden, unterscheiden sich allerdings gravierend.

Ursprünglich ging die Seite im Jahr 1998 unter dem Namen „Gnuhoo“ online, hieß zwischendurch mal „Newhoo“ und wurde nach wenigen Monaten von Netscape aufgekauft und in „Open Directory Project“ umbenannt. AOL schluckte bald darauf Netscape samt dem Verzeichnis und fusionierte mit Time Warner. Der derzeitige Name des Projekts leitet sich von der ursprünlichen ULR directory.mozilla.org, oder eben kurz DMOZ, ab. Man halte sich vor Augen, dass das Projekt lange existierte, bevor irgend jemand das Wort „Web 2.0“ in den Mund nahm: dass viele User weniger Irrtümer produzieren als einzelne Editoren wurde mittlerweile zum grundlegenden Paradigma jeder Social Bookmarking Seite und jedes kollektiven News-Service. Die Weiterentwicklung des Web, das beliebte Wikipedia-Projekt und zahlreiche neue Plattformen haben das Open Directory, das irgendwo am Weg in DMOZ umbenannt wurde, also eigentlich überflüssig gemacht – bliebe da nicht der Faktor „Suchmaschinenoptimierung“, der einen Eintrag nach wie vor attraktiv macht. Außerdem importieren Yahoo und Google für ihre eigenen Directories regelmäßig den Gesamtbestand des DMOZ.

Optisch und benutzungstechnisch besitzt das DMOZ mittlerweile geradezu historische Qualitäten: an Design und Usability wurde seit Jahren konsequent nichts verändert, das Inventar an Seiten wächst dagegen beständig. Um die eigene Seite listen zu lassen, muss ein entsprechender Antrag ausgefüllt werden. Sobald ein Editor die Seite geprüft und für geeignet befunden hat, wird diese freigeschalten – das dauert allerdings in dokumentierten Einzelfällen bis zu zwei Jahre, in denen zwar umfassend manche Freischaltungen diskutiert wird, diese aus angeblichen „Zeitgründen“ aber nicht erfolgen: ungewohnte Zeitintervalle für ein Medium, das Echtzeit auf seine Fahnen geschrieben hat. Und besonders skurril im Hinblick auf die Tatsache, dass die Projektgründung auch als Reaktion auf die Langsamkeit der damals bereits bestehenden redaktionell betreuten Linkkataloge erfolgte.

Seit ein übler Servercrash Ende 2006 das DMOZ für einige Monate quasi lahmlegte, werden Spekulationen um die Zukunft des Projekts nicht leiser, zumal vor wenigen Wochen eine Befragung unter allen Editoren durchgeführt wurde, wie man zu einer kommerziellen Verwertung der Linkeinträge stehe. Editor wird man, indem man sich für die Betreuung einer bestimmten Kategorie bewirbt – die Kriterien für eine solche Bewerbung sind freilich, gelinde gesagt, schwammig formuliert und unterliegen wie so viele Faktoren dem Gutdünken einer relativ kleinen Gruppe, deren Entscheidungen in der Vergangenheit häufig ins Kreuzfeuer der Kritik gerieten: von „geschmierten“ und bezahlten Einträgen ist da immer wieder die Rede, der bekannte amerikanische Blogger Jeremy Shoemaker behauptete letztens sogar, von einem Editor mit potentieller Entfernung seiner Seite erpresst worden sei, konnte jedoch keine stichhaltigen Beweise dafür vorlegen.

Während alle Web 2.0 Services versuchen, sich offen und transparent zu präsentieren und die User zu involvieren, gelten beim DMOZ scheinbar gegenteilige Gesetze: zwar seien die langem Eintragungswartezeiten auf zu wenig Editoren zurückzuführen, so die Projektleiter. Andererseits machte man sich nie die „Mühe“, aktiv Projektmitarbeiter zu aquirieren, und mittlerweile hat das DMOZ seinen Zenit wohl endgültig überschritten. Die Seite mag weiterhin werbefrei bleiben, aber wenn nicht demnächst jemand dem Design ein ordentliches Update verpasst, dann ist der Zug zur Aufbau einer funktionierenden Community abgefahren und das ehemalige Open Directory wird weiterhin solange in Richtung SEO-Tool absacken, bis es irgendwann in der totalen Bedeutungslosigkeit verschwindet.

Leicht ließe man sich zu dem Glauben verleiten, das Internet sei ein zu junges Medium, um den alten Topos von wegen „früher war alles besser“ zu bemühen. Doch im Fall des DMOZ/Ex-Open Directory Project kann man mit Fug und Recht behaupten: das ambitionierten Linkverzeichnis ist einfach nicht mehr das, was es nie war. Es sieht immer mehr so aus, als hätte eines der einst hoffnungsvollsten Crowd-Sourcing Projekte des Internet sein Windows of Opportunity „rechtzeitig“ verpasst, um den Beweis zu liefern, dass hierarchische Strukturen dem Social Net mittelfristig unterlegen sind.

4 Kommentare
  1. Stefan
    Stefan sagte:

    Apropos „Andererseits machte man sich nie die „Mühe“, aktiv Projektmitarbeiter zu aquirieren“:

    Unter jeder nicht besetzten Kategorie steht „Werde Editor“. Müssten halt nur mehr Leute den Arsch hoch kriegen.

    Oder sollten sie auf der Kirmes Handzettel verteilen? Oder Fernsehwerbung schalten? Eben.

  2. GammaGandalf
    GammaGandalf sagte:

    Na ja wie mann es nimmt
    Ich denke mal das dmoz erst mal seine arbeitsweise überdenken sollte
    Denn wenn mann Anfragen hat zum Beispiel wie wird mann Editor was muss mann dafür können oder Wissen
    Dann bekommt mann keine Antwort
    Schreibe das hier aus eigener Erfahrung
    Denn ich selbst habe schon genau diese Fragen dort gestellt und das vor Monaten und keine antwort bekommen
    Und genau so schade finde ich es das mann keine Antwort bekommt wenn die Seite die mann eingetragen haben möchte Angenommen oder Abgelehnt wird
    Das sollte doch wohl eigendlich möglich sein denke ich
    na ja mal schauen vielleicht ändert Sich ja doch mal etwas
    Versuche auch schon Seit Monaten mein Forum dort unterzubringen
    Aber wie gesagt es ist und bleibt ein Ratespiel

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