Was Facebook wirklich über Sie und Ihre Freunde weiß
Kontext: Medienmonopole & Algorithmen
Erinnert sich noch jemand an die „vierte Gewalt“, auch als 4. Kraft oder publikative Gewalt gezeichnet? Im vorigen Jahrtausend haben sich ein paar Kommunikationswissenschaftler Gedanken darüber gemacht, wie die Sache mit der Gewaltenteilung so läuft. Der österreichische Rechtsphilosoph René Marcic publizierte als erster, dass funktionierende Demokratien neben den klassischen drei Säulen der Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative und Judikative) noch eine vierte Zutat brauchen, damit eine schmackhafte Demokratie-Suppe draus wird.
Seither nehmen viele Staaten eine beträchtliche Summe Geld in die Hand, um eine als ausreichend empfundene Diversifikation des Mediensektors sicherzustellen. Kleine Länder wie Österreich neigen besonders zur Medienkonzentration. Dieser Entwicklung will die Republik mit Presseförderungen und günstigen Rahmenbedingungen für private elektronische Medien entgegen wirken.
Wie die Vergabe in der Praxis abläuft, sorgt für ständige Diskussionen: Sollen Qualitätskriterien an die Vergabe geknüpft werden? Wie sehr muss man einen staatlichen Rundfunk einschränken, damit private Anbieter wirtschaftlich überlebensfähig werden?
In den letzten 20 Jahren hat sich allerdings die Situation am Medienmarkt drastisch verändert. Das Internet als neues Leitmedium drängt Zeitungen langsam, aber unaufhaltsam in die Riepl’sche Nische (1).
Freilich kann man Tageszeitungen auch online lesen. Aber wie kommt der Leser zu seinen Inhalten? Klar ruft ein beträchtlicher Teil der Stammleser die Lieblingsseite des eigenen Mediums per direkter URL-Eingabe auf, weit mehr Rezipienten finden ihren Weg aber über die zwei großen Gateways unserer Tage: Google und Facebook und Facebook gestalten das digitale Ökosystem genauso, wie es ihnen passt.
Dass die (Medien)politik kaum in der Lage ist, zeitnah und adäquat auf solche Entwicklungen zu reagieren, liegt bei weitem nicht nur an der gern beschworenen Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung. Dass wir in Kürze nur mehr EINE Suchmaschine benutzen würden, war auch 2005 dermaßen klar abzusehen, nicht einmal ein Matthias Horx hätte sich in diesem Punkt verprognostizieren können. Ein Amalgam aus Partikulär-Interessen und erfolgreichem Lobbying hat zu einer Situation der kleinen Nadelstiche geführt, die den großen Playern längst nicht wehtun.
Umso wichtiger sind Initiativen wie noyb, die sich um die Durchsetzung ohnehin bestehender Rechte kümmern wollen. Traurig, weil dringend notwendig.
Was hat das alles mit dem Facebook Algorithmus zu tun?
Wir wissen längst nicht erst seit Ed Snowden, was für gewaltige Überwachungsmaschine da am Laufen ist. Im Fall von Facebook kulminieren staatliche und wirtschaftliche Interessen auf neuartige Weise: Je mehr Facebook über seine Nutzer weiß, desto besser für die Terrorismusbekämpfung. Nebenbei eben auch für die Werbeindustrie.
Selbst der blauäugigste Social Media Nutzer hat inzwischen mitbekommen, dass Facebook Postings und Interessen der Nutzer strukturiert sammelt, auswertet und verkauft. Diese Sammelleidenschaft beschränkt sich längst nicht auf freiwillig veröffentliche Informationen, sondern berücksichtigt jede Menge „Signale“, die scheinbar außerhalb der Plattform und ohne jeglichen vordergründigen Social Media Bezug auflaufen.
Verglichen mit der derzeitigen extremen Monopol-Situation am digitalen Mediensektor wirkt die alte Befürchtung, zu wenig Zeitungen zu haben, wie ein Best Case Szenario.
Aber was kann der Mensch tun, was darf er hoffen? Die ersten drei Schritte sollten uns allen klar vor Augen stehen. Ihre Umsetzung vom europäischen Gesetzgeber einzufordern, wird allerdings keine einfache Aufgabe für die Zivilgesellschaft:
- Digitale Leistungen müssen am Erbringungsort besteuert werden.
- Ein beträchtlicher Teil dieser Einnahmen wird zweckgebunden zur Sicherstellung digitaler Diversität verwendet.
- Die EU hat rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die alternativen Anbietern im Such- und Social Media Bereich so lange Vorteile verschaffen, bis ein Marktgleichgewicht erzielt wird.
Illusorisch? Ja, meinetwegen, aber deshalb um kein Jota weniger dringend notwendig. Wenn der Leitgedanke eines ausdifferenzierten Mediensystems im Internet verloren geht, bleiben Teilsiege sinnlos. Netzneutralität, Datenschutz, wirtschaftliche Rahmenbedingungen – Teilaspekte eines großen Ganzen. Wir wollen ein ausdifferenziertes Mediensystem, und das klappt nun mal nicht mit EINER Suchmaschine und EINEM Social Network. Siehe obiges Video.
(1) Das Rieplsche Gesetz der Medien besagt, dass kein gesellschaftlich etabliertes Instrument des Informations- und Gedankenaustauschs von anderen Instrumenten, die im Laufe der Zeit hinzutreten, vollkommen ersetzt oder verdrängt wird.
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