Crowdfunding in Österreich: Investitionswille ja, Rechtssicherheit nein

Crowdfunding in Österreich: Investitionswille ja, Rechtssicherheit nein

Crowdfunding, also die Finanzierung von Produkten, Dienstleistungen und Unternehmen durch eine große Zahl von Kleinanlegern, könnte Österreichern bis auf Weiteres verwehrt bleiben. In Zeiten der Wirtschaftskrise mussten zahllose KMUs, die wenige Jahre zuvor noch als „gesunde Firmen“ galten, zusperren, weil Banken kurzfristig Kredite fällig stellten. Die Lage für Neufinanzierungen sieht nach wie vor alles andere als rosig aus. Private stille Teilhaber als Alternative erfreuen sich zwar im Ausland großer Beliebtheit, das österreichische Banken- und Kapitalmarktgesetz ermöglichen in der derzeitigen Form aber leider keinerlei Rechtssicherheit für Crowdfunder.

Update 1: danke für das laute Echo! Ich hatte schon länger ein Posting über die Crowdfunding-Problematik in Österreich geplant, die Pressekonferenz heute vormittag gab dann den Anstoß. [siehe OTS-Meldung: „Mehrheit der Österreicher für Crowdfunding„]

Die große Resonanz hat mich dazu bewogen, den Link zu meinem Beitrag auf die Facebook-Page von Bundeskanzler Werner Faymann zu posten. Ich möchte mithelfen, die SPÖ für dieses Thema sensibilisieren, damit die Diskussion bzw. die nötigen Gesetzesänderungen nicht bis zur nächsten Nationalratswahl verschleppt werden.

Machen wir gemeinsam Crowdfunding in Österreich möglich! Mit genügend Likes und Kommentare zum Crowdsourcing-Posting auf der Facebook-Page von Bundeskanzler Faymann bringen wir die AK und in weiterer Folge die SPÖ im Idealfall dazu, ihren Standpunkt nochmal zu überdenken: zum Posting

Update 2: eine Mitglied des „team bundeskanzler“ hat auf meine Brief geantwortet: http://datadirt.net/8zo7

Jammerschade, denn dank spezialisierter Web-Plattformen ist es heute einfacher als je zuvor, eine relevante Zahl von Mikro-Investoren für die eigene Idee zu begeistern. Manchmal funktionieren solche bankenlosen Kredite sogar ganz ohne Beteiligung von digitalen Medien.

Bekanntestes Beispiel in der Alpenrepublik ist der Waldviertler Unternehmer Heini Staudinger. Als seine Firma GEA von der Hausbank keinen Kredit mehr bekam, lieh er sich die benötigten 3 Millionen Euro von Freunden und Kunden, denen er Zinszahlungen versprach – woraufhin ihn die österreichische Finanzmarktaufsicht verklagte. Nur Banken, so die Argumentation, dürfen Kredite vergeben.

Die geforderte Strafe von €2.000 hat der „Kreditrebell“ nicht bezahlt, lieber möchte er sich demonstrativ einsperren lassen. Für Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl ein Anlass, eine Lanze für die Legalisierung des Crowfunding in Österreich zu brechen. Eine heute präsentierte Studie der Jungen Wirtschaft gibt ihm recht: das market Institut befragte 1.000 Personen zu Risiko-Einschätzung und Investitionsbereitschaft. Das Resultat zeigt, dass angesichts von 484 Milliarden Euro Finanzvermögen heimischer Privathaushalte hier ein enormes Potential schlummert:

„Wir werden Vorschläge machen, wie Herr Staudinger sein alternatives Finanzierungsmodell legalisieren kann“, sagt Leitls Sprecher Rupert Haberson.

  • Auf die Frage, ob sich die Probanden vorstellen können, in ein bestehendes Unternehmen in deren Umgebung zu investieren, das für die Umsetzung eines Projekts viele kleine Investoren sucht, antworten 56 Prozent mit „auf jeden Fall“ bzw. „eher schon“. Von diesen wiederum können sich jeweils 23 Prozent vorstellen, 500 Euro bzw. 1.000 Euro zu investieren.
  • 26 Prozent geben an, mehr als 1.000 Euro einbringen zu wollen. 28 Prozent würden weniger als 500 Euro anlegen. Im Durchschnitt würde sich jeder Befragte mit 700 bis 750 Euro an einem Projekt beteiligen.
  • Die Motive für Investitionen in solche Crowdfunding-Projekte sind vielschichtig. So geben 92 Prozent an, ein derartiges Projekt zu unterstützen, wenn sie von der Idee überzeugt sind. 91 Prozent beurteilen eine Projektunterstützung als „sehr interessant“ oder als „interessant“, wenn man klar erkennen kann, wie das Projekt umgesetzt werden soll.
  • Ein weiteres Motiv ist die Möglichkeit mit kleinen Beträgen einzusteigen. 90 Prozent ziehen diesen Punkt als ein Entscheidungskriterium heran.

Anders als bei den Österreich in ländlichen Gegenden überall präsenten landwirtschaftlichen Genossenschaften sind die Financiers beim Crowdfunding nicht aktive Produzenten, sondern stille Teilhaber. Die Motivation, privates Kapital in Projekte mit kaum abschätzbarem Risiko zu investieren, besteht häufig gar nicht in der Hoffnung auf allfällige Renditen, sondern besteht oft im Produkt selbst respektive in dem Bonus, zu jenen Early Adopters zu gehören, die das begehrte Gadget als erste in der Hand halten.

Relevant ist für den Gesetzgeber der Schutz der Konsumenten, denn natürlich liegt das Risiko eines Totalverlusts weit höher als bei einem Sparbuch. Entsprechendes Bewusstsein ist bei den Investoren eindeutig vorhanden:

  • Klar ist die Erwartungshaltung im Hinblick auf die Überprüfung derartiger Angebote durch staatliche Stellen. Dies ist nicht von Nöten, eine klare Mehrheit geht davon aus, dass sich hier beide Seiten auch ohne lenkende Hand einigen können.
  • Nur 20 Prozent erwarten sich eine staatliche Überprüfung. Dies lässt sich damit erklären, dass über Crowdfunding finanzierte Projekte in vielen Fällen eine Nähe zu den Investoren aufweisen und nicht nur von einigen wenigen, sondern von vielen Anlegern geprüft und durchleuchtet werden.

Ein Blick über die Grenzen: Hardware-Finanzierung via „Kickstarter“

Schlagzeilen gemacht haben in jüngerer Vergangenheit hauptsächlich Hardware-Gadgets: mittlerweile sorgen nicht nur 3D Drucker und „smarte“ Armbanduhren für begehrliche Griffe ins Sparschwein. Seit kurzem weckt eine Miniatur-CNC-Fräse namens Othermill reges Interesse. $50.000 wollte das Entwicklerteam Mike Estee und Danielle Applestone von 5.5. bis 4.6. Juni einsammeln, $311.657 sind bis vorgestern zusammen gekommen. Zwischen 1$ (ein „Dankeschön“ auf der Webpage) und $2.499 (für einen der ersten Prototypen mit Zubehör und Custom-Gravur) liegt das Spektrum der Einzahlungen.

Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie sehr sich Crowdfundings von klassischen Investitionskrediten unterscheiden. Auf Plattformen wie Kickstarter gibt der Antragsteller eine Zielsumme an, die bis zu einem bestimmen Stichtag erreicht werden muss. Scheitert die Finanzierung, dann erhalten alle Einzahler in der Regel ihr Geld rückerstattet. Auf gut österreichisch: „nix‘ is g’scheh’gn“ [für die Leser auf 3Sat: wörtl.: „Nichts ereignete sich“, fig.: „wo kein Nutzen, da zumindest kein Schaden“].

Passiert der Sammelbeutel die finanzielle Ziellinie, ist nicht automatisch Schluss. Bei weiten nicht allen Einreichern gelingt dies, besonders populäre Vorschläge finden aber immer wieder mal weit mehr Geld in der Kasse vor, als nötig wäre. Smarte Unternehmer sehen derlei Eventualitäten vorher und kündigen in der Beschreibung an, wofür sie das „Trinkgeld“ einsetzen würden. Im Fall von Othermill sieht das so aus:

JOB CREATION: At $100,000, a job gets created! We can hire another machinist, and we can manufacture your machines faster.
SOFTWARE FEATURES: At $250,000, (first we jump up and down, and then…) we hire a third software engineer. This means the first release of Othercam has even more features and is able to do things (DXF importing, etc) currently planned for future versions.

Die Kommunikation zwischen Geldgeber und Unternehmer spielt hier also eine ganz wesentliche Rolle. Letztendlich vertrauen die Investoren einer Person respektive einer Idee. Kurz gesagt: Aktiengesellschaften sind gesetztlich verpflichtet, Geschäftsberichte zu veröffentlichen. Crowdfunding-Unternehmer müssen transparent kommunizieren, um potentielle Financiers zu überzeugen.

Zurück nach .at: Den Finanz-Horizont erweitern?

Dass Geeks und technologie-affine Netizens mit Gadgets leicht zu begeistern sind, ist nichts Neues. Die Schwarmfinanzierung eignet sich aber auch für ganz andere Einsatzzwecke: ob Künstler sich auf diesem Weg Freiheit von Produktionszwängen erkaufen möchten oder ganz klassische Unternehmer Alternativen zum Banken-Geldhahn suchen, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der unternehmerischen Freiheit hierzulande aber sehr wohl, wie das Beispiel von GEA zeigt.

Zwei Bestimmungen sind, so Markus Roth, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft, zu modifizieren, um Crowdfunding in Österreich auf eine solide rechtliche Basis zu stellen. Zum einen das Bankwesengesetz, konkret Einlagegeschäfte, die zu keinem Zeitpunkt 5 Millionen überschreiten, keine Vorstufe zu einem Bankgeschäft darstellen, sondern durch realwirtschaftliche Tätigkeiten finanziert werden, sollen nicht mehr als solche gelten. [für Juristen: §1 Abs 1Z1 BWG].

Zum anderen das Kapitalmarktgesetz, welches die sogenannte Prospektpflichtgrenze bei €100.000 ansetzt. In den Niederlanden und Schweden beträgt diese 2,5 Millionen, in Finnland und Dänemark gar 5 Millionen Euro. Neben der Anhebung auf €499.999 wünscht sich die Junge Wirtschaft ein Stufenmodell: je mehr in ein Projekt investiert wird, desto umfangreicher sollen die Informationspflichten für die Unternehmen ausfallen.

Der Ruf wird immer lauter, dass das Parlament die geforderten Rahmenbedingungen schafft: Politiker, die mangelndes Investitionskapital beklagen, sollten privaten Investoren und innovativen Unternehmern diese Form der stillen Direktbeteiligung auf keinen Fall verwehren. Bisher verweigert die SPÖ auf Druck der Arbeiterkammer die entsprechenden Gesetzesänderungen. Dass Konsumenten vor Betrug und Manipulation geschützt werden sollen, ist jedem völlig klar. Wenn diese Konsumenten allerdings aus Überzeugung in ein Unternehmen investieren möchten und sich des Risikos bewusst sind, fordern sie vom Gesetzgeber Rahmenbedingungen für ein funktionierendes österreichisches Crowdfunding-Ökosystem.

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