Blogvorstellung und Interview: Harald-Dvorak.at

Blogvorstellung und Interview: Harald-Dvorak.at

haralddvorak1Kennen gelernt habe ich Harald zwar in der Virtualität der Blogosphäre, allerdings sind wir auch in der physischen Welt Wiens Bezirksnachbarn und haben den Kontakt ins First Life ausgeweitet. Auf seinem Blog schreibt der „ehemalige“ Naturwissenschaftler über seine berufliche Tätigkeit, und die finde ich ausgesprochen spannend: Harald arbeitet als hyno-systemischer Coach und bietet sehr spannende Seminare an, etwa zum Thema Die Macht der Sprache. In seinem Weblog präsentiert er seine Erkenntnisse aus der systemischen Ausbildung in ungewöhnlichen Postings, die überdurchschnittlich häufig Denkanstöße geben.

Mit Haralds Grund-Hypothese, dass Gedanken – oder besser gesagt unsere Absicht – in einem bestimmten Ausmaß unsere „Realität“ formen, stimme ich vollkommen überein. Dass schwindlige Esoteriker aufgrund dieser simplen Tatsache gutgläubigen Erlösungssuchern leichtverkäufliche Mantras andrehen, steht auf einem anderen Blatt: tatsächlich ist es kaum zu glauben, wie unglaublich schwierig es ist, „volle Kontrolle“ über die eigene Absicht zu erlangen; da haben allerdings andere Autoren recht vernünftige Dinge drüber geschrieben, die ich an dieser Stelle nicht wiederkäuen möchte. Unter systemischer Beratung können sich aber viele datenschmutz LeserInnen vermutlich nichts Konkretes vorstellen, und wozu Hypnose abseits der Bühne dienen kann, gehört auch nicht gerade zum Allgemeinwissen: also lauter gute Gründe, um mit Harald ein Interview zu führen – über Feedback und Meinungen dazu freu ich mich diesmal ganz besonders!

Interview mit Harald Dvorak, systemischer Coach

datenschmutz: Du hast ein Berufsfeld gewählt, unter dem sich viele potentielle Klienten wenig vorstellen können – welche Form der Beratung bietest du an?

Harald Dvorak: Ich biete Beratung für Menschen aus Technik und Wirtschaft in Form von (Hypno- )systemischem Coaching und (Hypno-)systemischer Psychosozialer Beratung an. Zudem bin ich als Seminarleiter und Trainer in verschiedenen Kontexten tätig. Meine Schwerpunkte sind hier Interdisziplinäre Kommunikation (z.B. zwischen TechnikerInnen und Nicht-TechnikerInnen) und Manipulation und Beeinflussung in der Kommunikation.
Ein wesentlicher Beratungsbestandteil ist die konstruktive und systematische Veränderung von als problematisch oder schwierig empfundenem Erleben des Klienten durch den Klienten. Hypnosystemische Beratung bedeutet auch ein systemisches Arbeiten mit unwillkürlichen Prozessen, um diese mit willentlichen Prozessen in optimale Kooperation zu bringen – also der Umgang mit einem: „Ich will, aber „ES“ geht nicht“.

?: Auf welchen Grundprämissen beruht die Systemische Beratung?

Harald Dvorak!: In der Systemischen Beratung werden Probleme nicht als linear kausal (d.h. Ursache und Wirkung) angesehen, sondern einer zirkulären Betrachtung unterzogen. Systemische Beratung betrachtet demnach eine Person in Ihrem Umfeld und den Wechselwirkungen zwischen ihr und diesem Umfeld. Das persönliche Erleben einer Person wird bestimmt durch die Beziehung zwischen der Person und dem beobachteten Umfeld. Oder anders formuliert: Die Beziehung zwischen einem Beobachter und dem Beobachteten bestimmt das persönliche Erleben – nicht das Beobachtete selbst. Realität wird nicht als objektiv existierend aufgefasst, sondern als soziale Konstruktion der beteiligten Beobachter angesehen.
In der Hypnosystemische Beratung sind die Ansätze der klassischen Hypnotherapie nach Milton Erickson mit jenen der klassischen systemischen Beratung und Therapie vereint. In der Hypnosystemischen Beratung geht man davon aus, dass Probleme durch eine eingeschränkte Wahrnehmung – eine Problemfokussierungstrance – selbsthypnotisch erzeugt werden. Im Zuge der Beratung wird auf Ressourcen, Kompetenzen und Lösungen fokussiert, um das Gegenteil – eine Lösungstrance – zu erreichen. Der Wahrnehmungsfokus des Klienten wird konstruktiv erweitert und dadurch sein Handlungsspielraum vergrößert.

?: Was sind die Spezifika psychosozialer Beratung, und wer sollte sie in Anspruch nehmen?

!: Psychosoziale Beratung bietet professionelle Unterstützung in Problem- Entscheidungs- und Krisensituationen. Die klassischen Schwerpunkte sind Begleitung, Betreuung und Beratung in Fragen der Berufs- und/oder Lebensgestaltung, die Bewältigung von Übergangssituationen (Veränderung) und die Klärung von persönlichen Entscheidungen.
Im Teilbereich Coaching geht es um Reflektion und Stärkung der persönlichen Führungsrolle, die effiziente Zielerreichung eines persönlichen Ziels im beruflichen Umfeld, die Vorbereitung auf schwierige Gesprächssituationen oder der Umgang mit Konflikten im beruflichen Umfeld.

?: Du beschäftigst auch schon längere Zeit mit Hypnose – ein Phänomen, das auf der Bühne gerne als Showeffekt eingesetzt wird. Allerdings wird Hypnose schon jahrelang klinisch verwendet – worauf beruht deiner Erfahrung nach Hypnose und wie kann sie eingesetzt werden?

!: Gute Frage! Nur wie sag ich’s kurz? ;) Hypnose ist durchaus ein spannendes Thema, welches meiner Ansicht nach übermystifiziert wird. Einen entsprechenden Beitrag dazu liefern u.a. auch sogenannte Bühnen- oder Showhypnotiseure. Letztere profitieren im Zuge ihrer Show u.a. von Erwartungshaltung und Gruppendruck der Teilnehmer.
Hypnose ist ein Verfahren, welches den Aufmerksamkeitsfokus konzentriert (verengt) und ausrichtet (z.B. in klassischen Hypnoseverfahren nach Innen). Dieser Zustand ist, meist durch leichte bis mittlere Entspannung begleitet, als Trance bekannt. Trance ist niemandem fremd – tagtäglich finden wir uns in diesem Zustand in unterschiedlichen Ausprägungen wieder, z.B. in Gesprächen, denen wir konzentriert folgen, am Abend vor dem Fernseher (darum sind die Werbungen vor den Abendnachrichten so teuer), beim Tagträumen, in Flow-Zuständen, beim Autobahnfahren etc. Diese Zustände nennt man Alltagstrancen. Kennzeichen: umso tiefer die Trance ist, desto geringer sind die bewussten (kritischen) Anteile und desto höher ist die Suggestibilität – also die Bereitschaft des Klienten, Suggestionen des Hypnotiseurs anzunehmen.
Hypnose unterstützt das Arbeiten mit unwillkürlichen Prozessen. Das sind Prozesse, auf die wir willentlich nur bedingt Einfluss haben (z.B. zittern, schwitzen, Durchblutung, etc.). Hypnose ist KEIN Verfahren, wo man seine Seele zum Service dem Seelenmechaniker übergibt und dann wieder abholt, wenn alle Problemchen beseitigt sind! Auch hier gilt, wie übrigens in jeder Form der Beratung, das Prinzip der Selbstverantwortung.
Ich persönlich arbeite zum überwiegenden Anteil mit Gesprächstrancen. Die zentrale Frage nach einer Methode ist immer das „Wofür“. Es muss ja nicht immer der Vorschlaghammer zur Fliegenjagd sein ;) Hypnose ist nur ein Zugang unter vielen und kein Allheilmittel. Vielleicht blogge ich demnächst ja noch ergänzend was zu dem Thema. Mich reizt schon seit geraumer Zeit der Gedanke, ein eintägiges Praxisseminar zu veranstalten zum Thema „Wirklichkeitskonstruktion im Alltagserleben“, vielleicht mit dem Titel „Alltagserleben wirksam beeinflussen“ oder so ähnlich. Da könnte Hypnose durchaus eine Rolle spielen. Wenn sich genügend Interessierte finden, bin ich auch für individuelle Themen zu haben… ;)

!: Was war für dich der entscheidende Grund, dich als Coach selbständig zu machen?

?: Dazu gibt’s in einem meiner bisherigen Beiträge schon was – ich bin gerne Techniker und erlebe in diesem Bereich auch heute noch genügend Herausforderungen. Nachdem ich schon immer als selbständiger Unternehmer wirksam sein wollte, war die Frage nach dem WIE lange Zeit zentral. Da war eine fundierte technische Ausbildung auf der einen Seite und ein großes und wachsendes Interesse an der psychologischen Natur des Menschen auf der anderen. Daraus ist die Idee entstanden, die beiden nur scheinbar so weit voneinander entfernten Themenbereiche zu verbinden. Die Bausteine dafür enthält mein Angebot in den Bereichen Coaching, Consulting, Training und Seminare.
Das Arbeiten mit Menschen in Seminaren, Trainings und in der Beratung macht mir sehr viel Freude und sorgt für eine große Anzahl an Flow-Erlebnissen. So lange das so bleibt, werde ich in diesen Bereichen tätig sein.

Mehr zum Thema (hypno)systemische Beratung und Coaching:

11 Kommentare
    • ritchie
      ritchie sagte:

      Ja, seine Vorträge dürften wirklich sehr instruktiv sein! (PS: sorry wegen der Linkentfernung, aber auf datenschmutz herrscht eine relative strikte Policy, was Vor- und Nachnahme angeht :mrgreen: )

  1. ricarda
    ricarda sagte:

    Sehr interessanter Artikel, hätte eine Frage an Dich. Wie siehst du das mit dem 0,2 Sekunden Vetorecht die jeder von uns zur Verfügung hat um Handlungen zu kontrollieren, sprich nicht durchzuführen. Ist unser Unterbewustsein wirklich für unser Handeln verantwortlich??

  2. Harald Dvorak
    Harald Dvorak sagte:

    Aus neurobiologischer Sicht gibt’s unterschiedliche Ansichten – bis zur gänzlichen Absprache eines freien Willens (z.B. Wolf Singer). Das mit der Verantwortung ist so leicht nicht zu beantworten. Meines Erachtens nach wird unser Verhalten (= Handeln) grundsätzlich multifaktoriell und wesentlich durch unbewusste Persönlichkeitsanteile beeinflusst. Bewusste, kognitive Prozesse haben lediglich beratenden Einfluss. Wäre es umgekehrt, wäre Verhalten veränderbar durch bewusstes Entscheiden oder etwa Erkenntnis. Das ist meiner bisherigen Erfahrung nicht so. Verantwortung ist ein (sinnvolles) soziales Konstrukt. Ich bin nicht ganz sicher wie umfassend hier eine Ursache-Wirkungsbetrachtung (Impuls –> Handlung) überhaupt möglich ist.

    • Harald Dvorak
      Harald Dvorak sagte:

      @luisieta: Ich habe einen kurzen Artikel mit dem Titel „Wie wir Persönlichkeit erzeugen – das Wir im Ich“ verfasst.
      Möglicherweise gibt dieser ein Stück weit Antwort auf Deine Frage. Auch die im Artikel dargestellte Sichtweise basiert auf einem Modell ;) Weitere Fragen und Anmerkungen sind auch in meinem Blog herzlich
      willkommen!

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